Schon zum zweiten Mal trat Ingo Appelt am Freitag, 3. Mai 2024, beim Matineeverein in Herchen auf.
Im Vergleich zum ersten Mal hat sein Programm an Deftigkeit zugelegt. Aber wie stand es im Ankündigungstext? „Wer Ingo Appelt will, bekommt auch Ingo Appelt.“ So muss es auch bei den Gästen an diesem Abend gewesen sein, denn der Künstler hat zu Beginn seines Programms den ausverkauften Saal per Akklamation abstimmen lassen, ob das Programm politisch korrekt sein soll oder eben nicht. Also eben nicht…..Die Dichte des f-Wortes an diesem Abend war recht hoch, was die Stimmung im Publikum nicht zu trüben schien – oder war sie gerade wegen der klaren, direkten Ansprache von Ingo Appelt so gut?
Er nennt sein Programm selbstironisch „Betreutes Hassen mit Ingo“, weswegen er zu Beginn das Publikum aufforderte, ihn nach Erneutem Hereinkommen zu beschimpfen und auszubuhen, wovon viele Gebrauch machten und ihn wie gewünscht mit Buhrufen und „Du Drecksack“ (oder so ähnlich) begrüßten und für den Rest des Abends anspornten.
Ingo Appelt feuerte in 2,5 Stunden eine Salve nach der anderen ab, ohne Luft zu holen. Er spannte einen Bogen über viele Themen, die ihn aufregen. So regte er sich z.B. auf über das Gendern, die Verteufelung des Fleischverzehrs („Ich stehe mit der Bratwurst bald draußen vor der Tür, bei den Rauchern….“), Kinder („in der Pandemie stapelten sich in der Babyklappe die 11-jährigen bis unters Dach…“), und Umweltschützer auf.
Das den Abend umspannende Thema waren jedoch Männer, Frauen und Sexualität. „Männer sind testosteron-gesteuerte Zombies!“ Er selbst sagt von sich, dass er vom Saulus zum Paulus geworden sei, er sei jetzt ein richtiger Frauenversteher.
Das Thema Sexualität nimmt viel Raum ein an diesem Abend. „Früher gab es den Witz: Wozu braucht eine Frau einen Mann? Der Vibrator kann nicht Rasenmähen“. Jetzt hat Ingo Appelt Angst. Jedes Mal, wenn er einen Rasenroboter in einem Garten sieht – „Wieder einer weniger von uns!“. Die Männer werden bald durch KI-gesteuertes Lustspielzeug ersetzt.
Auch Schwulsein und Homophobie wurden thematisiert. So ist Ingo Appelt überzeugt, dass eine weiblichere und schwulere Welt freundlicher und friedlicher wäre.
Trotz der teils heftigen und deftigen Sprachwahl gelang es Ingo Appelt gekonnt, nicht in Frauenfeindlichkeit oder Homophobie abzudriften.
Seine Parodien berühmter Zeitgenossen zeigte er auch an diesem Abend. So hat er sich vor allem Personen herausgesucht, die auch ohne klare Worte auskommen – vor allem Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg, Helmut Kohl, Angela Merkel und Til Schweiger. So fragte er in den Saal, welcher Satz von Merkel außer „Wir schaffen das!“ in Erinnerung geblieben ist – niemandem fiel etwas ein.
Das Gespräch zwischen Kohl, Merkel, Schweiger und Grönemeyer war größtenteils unverständliches Genuschel, die Personen aber ansonsten gut zu erkennen. Nur Rudolf Scharping durfte verständlicher reden („Laaangsaaaam“). Da hätten ihn in der Pause einer Veranstaltung die beiden Töchter von Scharping angesprochen: „Sie haben doch unseren Vater parodiert!“ – „Ja……“ – „Das war schon ganz gut, Sie müssen nur noch langsamer sprechen!“
Am Ende der 2,5-stündigen Veranstaltung ließ das Publikum Ingo Appelt jedoch nicht ohne Zugabe-Rufe von der Bühne. Diese bestand aus einer plastischen Schilderung eines Liebesaktes mit seiner Frau, wobei auch ein Portrait von Angela Merkel eine am Ende entscheidende Rolle spielte.
Ingo Appelt gibt den Wutbürger
Viele Pointen des Kabarettisten zielten unter die Gürtellinie – Rustikaler Humor
von Sylvia Schmidt (RHein-Sieg-Anzeiger vom 8.5.2024)
Windeck - Vorsicht – wo Ingo Appelt draufsteht, ist auch Ingo Appelt drin. Beim Matinéeverein Herchen ließ der Kabarettist keine Sekunde verstreichen, drückte auf sein „Mund-Maschinengewehr“ und schon hieß es „Startschuss! Auf die Kacke, fertig, los!“ Deftig-rustikal wurde zu abendlicher Stunde im ausverkauften Haus des Gastes aufgetischt, für die meisten ein großes Vergnügen, für andere schwer verdaulich.
Letzteres kalkuliert Appelt ein. Vegetarier und Veganer bekommen ohnehin ihr Fett weg. „Warum muss sich alles radikalisieren?“, fragt Appelt: „Du kannst nicht mal mehr zehn Leute zum Essen einladen, ohne zwanzig Gerichte zu kochen, aber im Wort Veget'arier' sind die Nazis ja schon angelegt.“ Frutarier (essen das, was von alleine vom Baum fällt) bekommen gleich eine Ohrfeige mit: Denen würde er am liebsten ein Schwein hinknallen und brüllen, es wäre vom Baum gefallen. Wir leben in irren Zeiten, der Ärger muss raus.
Mitleid mit Olaf Scholz
Der bekannte Kabarettist ist unerschrockenes Vorbild für jeden Wutbürger. „Ich bin eine alte Drecksau und bockig, weil alles verboten ist. Wollt Ihr politische Korrektheit oder wollt Ihr auf die Kacke hauen?“. Noch bevor das Publikum die Frage für sich erwogen hat, rotzt Appelt laut den Wutschleim hoch. Alles klar?
„Entweder handelt es sich um Pollenallergie, Asthma oder Corona“, schreckt er vor ekligen Angelegenheiten nicht zurück. Es könnten auch fehlende Manieren sein, aber die haben im Programm ohnehin nichts verloren. Apropos: Einer seiner Freunde hat neulich 14 Kilo verloren. Da kann Appelt entwarnen: „Ich habe sie gefunden.“
Damit seine Plautze nicht auffällt, trägt der Mann ein glänzendes, schwarz bedrucktes Jackett, das er später in die Ecke pfeffern wird, sch....egal! Wer kann schon noch etwas richtig machen? Als altes SPD-Mitglied hat er Mitleid mit dem Kanzler: „Selbst wenn Olaf Scholz übers Wasser läuft, werden die Leute noch sagen, siehste, der kann nicht schwimmen.“
„Irre, alles kommt wieder. Mit Trump können sich die Amerikaner identifizieren, mit Obama und seiner Frau nicht, die waren begabt und intelligent“, so Appelt. Eine weitere Erklärung liefert er gleich mit: „Trump findet Schusswaffen geil.“ Und Merkel, die Vorläuferin von Olaf Scholz komme auch wieder, denn so wie sie sage auch der Kanzler nix. „Sonst wirst du runtergemacht. Helmut Schmidt konnte Sprachen, war gebildet, konnte Klavier spielen. Damit konnten sich die Deutschen nicht identifizieren. Sie wählten Kohl, der konnte nichts.“ Aber auch dafür gibt es ja Lösungen, im Laufe des Abends lässt Appelt Kohl, Til Schweiger und Herbert Grönemeyer vor sich hin knödeln und nuscheln. Hauptsache, man versteht kein Wort.
Immer wieder brandete lautes Gelächter auf, besonders an den Stellen, die hier ausgelassen sind, die lagen nämlich weit unter der Gürtellinie. Man kann es mögen, muss man aber nicht!
Die Vorsitzende des Matinéevereins, Jutta Kranz-Plote, kündigte Termine und Künstler für das Herbstabonnement an. Der Abo-Preis für die vier Vorstellungen bleibt stabil bei 70 Euro. Einzelkarten werden teurer und kosten dann 25 Euro.